Wie Zuhören den Heilungsprozess prägt
Willkommen zu unserem Interview mit Barbara Schröer, Pflegeleitung der BetaGenese Klinik. Die 54-jährige Bonnerin legt den Fokus nicht nur auf die medizinische Versorgung, sondern auch auf eine oft unterschätzte Kunst: das aktive Zuhören. Als erfahrene Pflegeleiterin spielt sie eine Schlüsselrolle in der ganzheitlichen Betreuung der Patienten:innen. In diesem Gespräch erfahren wir, warum gezieltes Zuhören nicht nur höflich ist, sondern einen echten Unterschied im Heilungsprozess macht. Tauchen wir ein in die Praxis des „Gut und aktiv Zuhörens“ und entdecken, wie diese einfache Geste das Wohlbefinden der Patienten nachhaltig beeinflusst.
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Radka Chtereva, Leitung Patientenmanagement: „In unserer schnelllebigen Welt sind aktive Zuhörer selten geworden. Zwar sind sich viele Menschen ziemlich sicher, dass sie gut zuhören können. Andererseits: Das Phänomen, dass man jemandem zuhört und ab einem bestimmten Stichwort nur darauf lauert, in die Lücke zu grätschen, um seinen eigenen, vermeintlich aufregenden Gedanken einzubringen, ist allgegenwärtig. Wie integrierst du persönlich und beruflich das Zuhören in Deinen Alltag und wie beeinflusst dies deine Arbeit als Pflegeleitung und Gesundheits-Redakteurin, Barbara?“
Barbara Schröer: „So lange man selbst redet, erfährt man nichts. Zuhören ist eine urmenschliche Fähigkeit, die uns eine tiefere emotionale Verbindung miteinander ermöglicht. In meiner Rolle als Pflegeleitung und Gesundheits-Redakteurin betrachte ich das Zuhören als entscheidendes Hilfsmittel für eine emphatische Interaktion. Es ist nicht nur wichtig, die Worte zu hören, sondern auch die Emotionen und Bedürfnisse, die sich dahinter verbergen, zu verstehen. Dann gelingt es nicht nur, effektiv zu kommunizieren, sondern auch eine unterstützende und vertrauensvolle Umgebung zu schaffen. Denn Menschen, die sich gehört fühlen, fühlen sich auch gesehen, und ihre Grundbedürfnisse nach Anerkennung und Wertschätzung werden befriedigt.“
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Radka Chtereva: „Als Pflegeleitung bist du sicherlich oft in Teamsituationen involviert. Wie setzt du deine Fähigkeit des aktiven Zuhörens ein, um konstruktive Diskurse innerhalb deines Teams zu fördern und wie trägt dies zur Zusammenarbeit bei?“
Barbara Schröer: „In einem Team ist Kommunikation unverzichtbar, und für mich steht dabei aktives Zuhören im Mittelpunkt. Es geht nicht nur um den Austausch von Informationen, sondern auch um ein besseres Verständnis füreinander und eine positive Teamdynamik. Ich glaube, dass Zuhören und Beobachten, ohne sofort zu bewerten, die Grundvoraussetzungen für eine achtsame Zusammenarbeit sind. Ratschläge, selbst gut gemeinte, können manchmal wie verpackte Bewertungen wirken – und ‚Ratschläge sind auch Schläge‘, wie das Sprichwort sagt. Deshalb versuche ich, beim Zuhören zurückhaltend zu sein und meinem Gegenüber Raum für eigene Lösungen zu geben. Natürlich gibt es Ausnahmen, zum Beispiel, wenn jemand explizit nach einer Bewertung oder einer Lösungsidee fragt.“
Radka Chtereva: „In der Gesundheitsbranche ist die Kommunikation mit Patienten:innen entscheidend. Kannst du Beispiele teilen, wie sich Zuhören positiv ausgewirkt hat?“
Barbara Schröer: „Im Kontakt mit Patienten:innen ist einfühlsames Zuhören unerlässlich. Es ermöglicht mir, ihre Sorgen und Bedenken tiefer zu verstehen, was wiederum die Qualität der Pflege und Fürsorge verbessert. Respektvolles Zuhören schafft Verbindung und vermittelt Sicherheit. Durch mitfühlende, offene und interessierte Fragen lässt sich ein Problem so lange umkreisen und von unterschiedlichen Perspektiven aus beleuchten, bis der, dem man zuhört, selbst eine Lösung entdeckt. Nicht so gut funktionieren Fragen, mit denen man eigentlich doch vor allem die eigene Meinung sagen oder das eigene Mehrwissen verkünden will.
Dagegen sind Fragen hilfreich, die auf Ressourcen abzielen, also den Sprechenden ganz sanft in die Richtung schubsen, in der seine eigene Lösung versteckt sein könnte. Wann hat es denn schon mal gut geklappt? Wie würden Sie das Problem einem Freund schildern? Woran würden Sie merken, dass es gelöst ist?“
Radka Chtereva: „Und in deiner Rolle als Gesundheits- Redakteurin? Du hörst täglich viele Geschichten von Menschen mit unterschiedlichen gesundheitlichen Problemen. Wie gelingt es dir, aktiv zuzuhören und die Nuancen in den Erzählungen deiner Gesprächspartner zu erfassen, um ihre persönlichen Erfahrungen auf den Punkt wiederzugeben? Nutzt du spezifische Techniken und Ansätze?
Barbara Schröer: „Wenn ich mich auf ein Gespräch vorbereite, versuche ich zunächst, alle objektiven Informationen über die Person und ihre Geschichte zu sammeln. Das gibt mir eine Grundlage, um gezielt nachzufragen und die richtigen Emotionen zu erkennen. Um wirklich aktiv zuzuhören, versuche ich, mich komplett auf meinen Gesprächspartner zu konzentrieren. Das bedeutet nicht nur, die Worte zu hören, sondern auch die Körpersprache und die Tonlage zu erfassen. Oftmals drücken sich Emotionen auch nonverbal aus. Ich versuche, mich in die Lage meiner Gesprächspartner zu versetzen, ihre Perspektive zu verstehen und mit ihnen mitzufühlen.Technisch gesehen stelle ich viele offene Fragen, um Raum für ausführliche Antworten geben zu können. Oftmals sind es die kleinen Details, die eine Geschichte lebendig machen. Durch gezielte Nachfragen versuche ich, diese Details herauszukitzeln und so ein umfassenderes Bild zu zeichnen. Letztendlich geht es darum, nicht nur die Oberfläche anzukratzen, sondern wirklich tief in die Welt des anderen einzutauchen.“
Radka Chtereva: „Barbara, wie hast du dein Zuhörvermögen entwickelt und gepflegt? Und glaubst du, dass diese Fähigkeit trainierbar ist? Wenn ja, gibt es spezielle Übungen oder Methoden, die du empfehlen würdest?
Barbara Schröer: „Ja, die Fähigkeit zuzuhören lässt sich verfeinern. Ein wichtiger Aspekt ist für mich das kontinuierliche Feedback von Lesern und Experten. Verschiedene Kommunikationstrainings können hilfreich sein. Die Schlüsselkomponente meiner Entwicklung war jedoch die Offenheit für unterschiedliche Perspektiven und das Hinterfragen der eigenen Annahmen. In Bezug auf die Trainierbarkeit des Zuhörvermögens bin ich der festen Überzeugung, dass dies absolut möglich ist.
Ähnlich wie bei anderen Fähigkeiten kann man durch Üben und bewusstes Praktizieren eigene Fertigkeiten verbessern. Ein Tipp von mir ist, regelmäßig bewusstes Zuhören in den Alltag zu integrieren, sei es in Gesprächen mit Kollegen, Freunden oder in alltäglichen Situationen. So wird das Zuhören nicht nur zu einer beruflichen Fertigkeit, sondern zu einer lebenslangen Gewohnheit.“
Meisterhaft Zuhören: Fünf elegante Strategien
- Präsenz bewahren:
- Demonstrieren Sie physische und mentale Präsenz, indem Sie Blickkontakt halten und Ihre Aufmerksamkeit bewusst dem Sprecher widmen. Schaffen Sie eine offene und zugewandte Körperhaltung, um Ihre Bereitschaft zum Zuhören zu signalisieren.
- Empathie zeigen:
- Zeigen Sie echtes Interesse an den Gedanken und Gefühlen des Sprechers, indem Sie einfühlsam reagieren. Nutzen Sie verbale Signale wie „Ich verstehe“ oder „Das muss wirklich herausfordernd sein“, um Mitgefühl und Verständnis zu vermitteln.
- Paraphrasieren und Zusammenfassen:
- Wiederholen Sie in eigenen Worten, was der Sprecher mitteilt, um sicherzustellen, dass Sie den Inhalt richtig verstanden haben. Durch das Zusammenfassen signalisieren Sie nicht nur Ihr Interesse, sondern verhindern auch Missverständnisse.
- Fragen stellen:
- Stellen Sie offene Fragen, um mehr Informationen zu erhalten und das Gespräch zu vertiefen. Dies zeigt nicht nur Interesse, sondern fördert auch einen aktiven Austausch von Ideen und Gedanken.
- Urteilsfreiheit wahren:
- Vermeiden Sie während des Zuhörens vorschnelle Urteile oder das Einbringen Ihrer eigenen Meinung. Lassen Sie den Sprecher ausreden, bevor Sie antworten, und respektieren Sie unterschiedliche Perspektiven, um eine offene Kommunikation zu fördern.
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