Warum überhaupt Therapie in der Gruppe?
Wir Menschen sind keine Einzelkämpfer, sondern brauchen die Beziehung zu anderen Menschen. Ohne diesen Beziehungsrahmen fühlen wir uns orientierungslos und verloren. Neben der Beziehung zu wichtigen Bezugspersonen wie etwa der Mutter oder dem Vater kommt sozialen Gruppen eine nicht zu unterschätzende Bedeutung zu. Denken Sie an Familienstrukturen, den Kollegenkreis, einen Klassenverband, Vereine oder die Nachbarschaft. Viele psychische Krisen (ich würde sogar sagen: die meisten!) haben – neben anderen Aspekten – auch damit zu tun, sich in wichtigen sozialen Gruppen nicht mehr richtig wahrgenommen, “so wie man ist” wertgeschätzt oder gar ausgeschlossen zu fühlen. In Zeiten, in denen Mobilität und Individualisierung zunehmen, ist unsere sichere Bindung in Gruppen besonders bedroht. Manchmal sind psychische Leiden, die auf den ersten Blick andere Ursachen haben, auf den zweiten Blick in gestörten Beziehungen zu bedeutsamen Gruppen (man denke z.B. an Angststörungen oder psychosomatische Erkrankungen) begründet.
Die Gruppentherapie bietet die Möglichkeit, uns bewusst in einer Gruppe zu erfahren, die aus dem Alltag herausgelöst ist und nur zum Zwecke der Therapie zusammenfindet und gleichzeitig (gewissermaßen auf einer Meta-Ebene) über die aufkommenden Gefühle und Gedanken gemeinsam zu reflektieren. Ziel ist es, unser Verhalten und Fühlen in Gruppen besser kennenzulernen und mögliche Ursachen und Zusammenhänge besser zu verstehen. Auf diese Weise können wir Ängste abbauen und lernen, uns offener, sicherer und „authentischer“ zu zeigen, aber auch Verletzungen vorzubeugen. Auch kann uns die Gruppe dabei helfen, ein besseres Gespür für unsere Grenzen und unrealistische Erwartungen zu bekommen.
Nimmt mich die Gruppe von außen auch so wahr, wie ich mich selbst von innen erlebe? Einfach die Gruppe fragen! Zumal die Gruppe ja aus vielen verschiedenen Perspektiven besteht. Gewissermaßen haben Sie nicht nur einen Therapeuten als Gegenüber, sondern viele.
In der Gruppe können positive Gefühle von Vertrauen, Zusammenhalt, Bestärkung und Entlastung entstehen; Gruppen können aber auch Angst machen, sich zäh anfühlen, Unlust, Enttäuschung oder Ärger auslösen. Es gehört zu einer „guten Therapie“, dass alle Gefühle, die auch in anderen Alltags-Gruppen (wie in der Familie, am Arbeitsplatz usw.) auftreten, sich auch in der Therapie zeigen können, ja sollen! Die Chance in der Therapie liegt nun darin, diese Gefühle nicht „bei Seite zu schieben“ oder zu überspielen, sondern zum Thema zu machen bzw. sich damit „hörbar“ auseinanderzusetzten. Persönliche Gefühle offen anzusprechen (vielleicht zum ersten Mal), kann eine große Überwindung bedeuten und ist oft mit Angst, manchmal auch mit Scham verbunden. Hierfür braucht es neben Mut auch Vertrauen. Auch muss man sich darauf verlassen können, dass persönliche Dinge nicht außerhalb der Gruppe weitererzählt werden. Ebenso sollten sich die Teilnehmer nicht aus anderen Zusammenhängen kennen. Sollte dies der Fall sein, sprechen Sie dies bitte unbedingt gegenüber dem Gruppenleiter an.
Sie sehen also, dass es sich bei der Gruppentherapie keineswegs um eine „Sparvariante“ der Einzeltherapie handelt, sondern um eine gänzlich eigene Therapieform mit großem Potential, aber auch Risiken und Nebenwirkungen!