Internet & Psyche – Welche Auswirkungen gibt es?

Ein Post, ein Like, ein Kommentar. Heutzutage sind die Menschen immer online, immer zu erreichen und immer kommunikationsbereit. Das Internet und vor allem soziale Netzwerke führen zu einem völlig neuen Verständnis von sozialer Interaktion. Besonders Jugendliche lernen hier, anders als die Generationen vor ihnen, von Anfang an andere Realitäten und Möglichkeiten kennen. Das kann Auswirkungen auf ihre Entwicklung, Zufriedenheit und ihr Sozialverhalten haben.

Online sein macht Spaß. Verschiedene soziale Medien, Online-Games, Webseiten und Diskussionsforen sind Plattformen für Menschen, die Informationen, Unterhaltung und den abwechslungsreichen Austausch mit anderen suchen und finden möchten. Dieses ständige Informationsangebot, der Nachrichtenstrom, der Druck, mitzuhalten und zu reagieren und die Angst, etwas zu verpassen, können sich aber auch negativ auf die psychische Gesundheit auswirken. „Gerade Heranwachsende müssen die vielen verschiedenen Inhalte und Möglichkeiten richtig einschätzen und maßvoll nutzen lernen. Dabei brauchen sie Hilfe und Führung, um die richtige Medienkompetenz entwickeln zu können“, erklärt Carsten Albrecht, stellvertretender Chefarzt der BetaGenese Klinik.

Leben im Netz – Was ist online anders als offline?

Die Cyberpsychologie befasst sich als Teil der Medienpsychologie mit dem Verhalten und Prozessen in digitalen Welten und dem Internet. Im Internet agieren Menschen enthemmter, sagen Dinge, die sie real nie so aussprechen würden. Ihnen fehlt der Körper – sowohl der eigene als auch der des Kommunikationspartners – als Reaktionspartner. „Online ist man als Teil einer großen anonymen Menge in einem vermeintlich geschützten Raum. Es erfolgt keine direkte Reaktion des Gegenübers auf Gesagtes oder Getanes und der Augenkontakt fehlt. Beides sind Aspekte der realen Kommunikation, die sich wie Kontrollmechanismen auf das Handeln auswirken. Fehlen diese, handeln wir gelöster und weniger gehemmt“, beschreibt Carsten Albrecht den Verhaltensunterschied online.

Gerade junge Menschen sehen in der Online-Welt der sozialen Netzwerke und Medien eine Art Paralleluniversum. Hier gelten andere Vertrauensmaßstäbe mit dem Resultat, dass teilweise das natürliche Misstrauen Unbekannten gegenüber verloren geht. Es wird offen kommuniziert und intime Einblicke werden mit fremden Menschen oder digitalen Bekannten geteilt. Carsten Albrecht: „Je nach Persönlichkeitsstruktur reagieren junge Menschen unterschiedlich auf die Optionen der digitalen Welt. Manche flüchten sich aus Sehnsucht nach einer heilen Welt hinaus in die virtuellen Realitäten und zeigen sich dort so, wie sie real nicht sein können. Andere entwickeln einen Zwang, diesen ständig konsumierten künstlichen Lebensläufen nachzueifern und glauben, sich dahin entwickeln zu müssen, weil das normal sei.“ Verzerrte Selbstbilder, Selbstwertproblematiken und auch Krankheiten wie Depressionen können daraus entstehen. Denn dass diese schöne Instagram-Welt konstruiert ist, müssen viele Jugendliche erst lernen.

Immer online, immer im Kontakt – macht das Internet glücklicher?

„Monitoring the Future“ ist eine Langzeitstudie, die seit 1975 (mit einer Erweiterung 1991) in den Vereinigten Staaten von Amerika durchgeführt wird und die psychologische Entwicklung vom Jugendlichen zum Erwachsenen untersucht. Jährlich werden hier rund 50.000 Schülerinnen und Schüler der achten, zehnten und elften Klasse über ihre Verhaltensweisen, persönlichen Einstellungen und Werte befragt. Folgefragebögen, welche die Absolventen nach der Schulzeit erhalten, dokumentieren die Verhaltensweisen im fortschreitenden Erwachsenenalter. Bei der Auswertung der Umfrageergebnisse der Jahre 2012 bis 2016 untersuchten Forscher der San Diego State University den Zusammenhang von Mediennutzung und dem Gefühl, glücklich und zufrieden zu sein.

Das Team um Psychologin Jean M. Twenge ermittelte aus den gesammelten Daten, dass seit 2012 Lebenszufriedenheit, Selbstbewusstsein und Glück der Befragten abnehmen. Zum Vergleich: Seit den 1990igern stiegen die empfundenen Werte hier kontinuierlich. Die Trendwende hinsichtlich Zufriedenheit und Glück kam 2012. Viele Faktoren beeinflussen die persönliche Zufriedenheit, dennoch ist hinsichtlich des Umschwungszeitraums auffällig, dass im Jahr 2012 ungefähr die Hälfte der Teenager in den USA ein Smartphone besaß.

Wer weniger als eine Stunde am Tag digitale Medien nutzt, ist den Umfrageergebnissen zufolge am glücklichsten. Den Rest ihrer Freizeit gestalteten diese Jugendlichen mit Hobbies wie Sport oder Lesen und dem Pflegen sozialer Kontakte. Jede längere Online-Verweildauer zeigt in der Umfrage einen Anstieg der Unzufriedenheit. Ebenso der totale Online-Medienverzicht. Das gesunde Maß aus digitalem Erleben und realen Kontakten ist es, was eine Grundzufriedenheit steigern kann.

Der Mix macht’s – Digitale und reale Welten kombinieren

Das Erwachsenwerden ist mit vielen verschiedenen Entwicklungen verbunden, welche die jugendliche Psyche kennenlernen und verarbeiten muss. Geführter Medienkonsum und eine gesunde Medienkompetenz sind ein Weg, den Spaß und positiven Nutzen der Online-Welt in den Alltag zu integrieren. „Während einer tagesklinischen oder stationären Behandlung lernen junge Patientinnen und Patienten in der Therapie auch, den Wert des persönlichen Kontakts und den Unterschied zwischen Schein und Sein im Online-Leben kennen. So geben wir ihnen ein Stück weit Wissen mit, um bewusst und gesund mit den online konsumierten Inhalten umgehen zu können.“

BetaGenese

In der BetaGenese Klinik lernen jugendliche Patienten
auch, wie sie Medien richtig nutzen.

Mehr über unser Behandlungskonzept für jugendliche Patienten finden Sie hier.

Bei Fragen hilft Ihnen unser Patientenmanagement unter 0228 909075 500 gerne weiter.

Bildcredits Titel: Tim Gouw auf unsplash.