Wir sitzen in Bonn, wir verstehen Kölsch und wir wissen, dass Dialekt keine Krankheit ist. Warum wir Ihnen das mitteilen? Nun, der ein oder andere Kollege ließ sich einer wahren Geschichte zufolge durch den gesprochenen Dialekt der Patienten auf eine falsche Diagnosefährte locken. Genaueres erklärt die Sendung „Rocker vom Hocker“ bei RPR1.
Der Anekdote zufolge diagnostizierten vier Psychologen, die bei der Besichtigung in einer neurologischen Reha-Klinik bei einigen ausgewählten Patienten Verdachtsdiagnosen stellen sollten, dass allesamt einmal einen Schlaganfall erlitten haben müssten. Verwundert fragte der zuständige Mediziner der Reha-Klinik, wie sie zu der Diagnose kämen. Für die Vorstellung des Leistungsspektrums der Klinik wurden Patientinnen und Patienten mit vielfältigen Störungsbildern ausgesucht.
Vermeintliche Sprachstörungen als Indikator
Die Psychologen nahmen die Sprachstörungen der Patientinnen und Patienten als Indikator für ihre Diagnosen. Verwaschene Silbenaussprache, neue Wortkreationen und falsch konjugierte Verben seinen typische Aphasie-Symptome, wie Schlaganfallpatienten sie aufweisen. Diese waren nach Ansicht der Gast-Psychologen der Klinik allen Patientinnen und Patienten gemeinsam. Nun, gemeinsam hatten sie etwas – und das war kein erlittener Schlaganfall. Sie alle sprachen pfälzischen Dialekt.
Am besten hören Sie sich die Radio-Episode selbst in der Mediathek von RPR1 an. Es handelt sich um den Beitrag „Pfälzisch“ vom 8. Mai 2019. Viel Vergnügen.
Das Fremdsprachen-Akzent-Syndrom als neurologische Erkrankung
Doch Dialekt als Resultat einer schweren Erkrankung gibt es wirklich. Nach einem Schlaganfall und anderen schweren Gehirnschädigungen kann es in seltenen Fällen dazu kommen, dass die Betroffenen anschließend dialektisch eingefärbt sprechen. Medizinisch bezeichnet man diese seltene neurologische Erkrankung als Fremdsprachen-Akzent-Syndrom. Hierbei kommt es durch die Schädigung des Sprachzentrums zu einer Veränderung der Sprachmelodie, die in einigen Fällen als Fremdsprache oder Dialekt interpretiert werden kann.
Eine Norwegerin sprach nach einer Schädelverletzung mit vermeintlich deutschem Akzent. Eine Thüringerin wurde durch die Schädigung ihres Sprachzentrums nach dem dritten Schlaganfall zur Schweizerin, zumindest, was ihre Aussprache anging und eine australische Patientin spricht seit einem schweren Unfall mit französischem Akzent. Was für Außenstehende amüsant klingt, kann für die wenigen Betroffenen psychisch belastend sein, es können Depressionen und andere psychologische Beschwerdekomplexe bestehen. Eine Psychotherapie und gezielte Sprachübungen können dabei helfen, den eigenen Sprachduktus wiederzuerlangen.
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